Bohrungen II
Einstieg in private Geschichte; direkt erzählt. Bilder, Fotos, Dokumente. Klare Worte in ernster Sache. Klares Staccato der Rede. Nicht nur in eigener (da veränderte Musikalität; sonorer). Wenige in eigener. Durch einen Repräsentanten für einen ›Repräsentanten‹. Wollte nie einer sein.
Nun: Familiengeschichte muss erst einmal öffentlich erzählbar sein. Diese hier ist es. Höre zu. Gebannt. Forschend. In der Substanz. Klingen der Sprache. Denke es weiter.
Ich kapituliere in meiner Rolle als Bergmann. Zumindest für heute. Kann nicht einen ganzen Tag über alles verarbeiten, was auf mich einwirkt. Bergbau ist wirklich ein hartes Geschäft. Das muss man eigentlich gar nicht erfahren, um es zu erkennen. Tue es trotzdem.
Lade nun noch einige Beobachtungen und mögliche Errungenschaften des Tages in die letzte Lore – Rufe benommen: “Glück auf!”
*** Dunkelheit (wach; also: nicht schlafend) ***
Briefwechsel und Freundschaft ist ein schwieriges Geschäft. Überwachung ist heute ja unsichtbar. Digital. Früher waren die Leute da wohl noch bewusster in ihrer Vermittlung. Selbstzensur und private Boten für wirklich, wirklich Wichtiges. Kann man sich heute kaum vorstellen. Besonders, wenn öffentlich, dann hohe Aufmerksamkeit und intensive Kontrolle. Er wird doch nicht!
Freunde zu finden zwischen Scheinheiligen und falschen Helden, in diesem fragilen Substrat gemeinsamen Handelns; das ist vielleicht die eigentliche Kunst der Überwindung von Einsamkeit. Verbindlichkeit finden. Führt auch zum Eklat, wenn Spannung zu groß wird, folgt die Entladung. Schlimmstenfalls Explosion. Tote nur dann, wenn nicht genügend Distanz.
Sonst; bestenfalls Freundschaft verschüttet. Verwundungen sitzen tief, können heilen und doch bleiben Narben. Die Menschen sind sich ein schwieriges Gut. Leider.
Es bleiben wirklich nur Fragmente in der Erinnerung. Fetzen. Bestenfalls ein paar Sätze. Schlagworte. Wenn und weil alles so dicht ist.
(Ende der Ausschweifung)
*** Mittag ***
Vortrag fällt aus. Schade.
Vortrag wird gelesen. Auch schade.
Ich bin ein wirklich schlechter Bergmann; ich sagte es bereits glaube ich. Bin ich dann auch ein schlechter Arbeiter? Verliere Ordnung und Chronologie. Dabei bin ich doch sonst so für Struktur gegen das Chaos.
– Letzte Kraft voraus / noch einmal Konzentration –
Haus ohne Hüter, Wunder von Bern, Patriarchat durch Repräsentanten des verlorenen Vaters. Lücken zu füllen. Alternative Geschichte; verleugnete Vergangenheit; geht scheinbar weiter. Kontinuität der Eliten bis in den Tod; und darüber hinaus. Perversion der Geschichte. Kein Einzelfall. Man erinnert die Großen durch Siege nicht durch ihr Blut an den Händen. Schade eigentlich.
Eigen und Fremdbilder vor Gericht. *** Passage gestrichen aus triftigen Gründen ***
Beizeiten: Lektüre (während des Schreibens draußen vor einsetzender Dunkelheit dunkle Wolken am Himmel und Regenbogen, sehr intensiv in der Farbe; Intensität sogar steigend! – eine Woche später, Übertragung der Erinnerung, farblich brilliant und doch angeschrieben gegen das Vergessen. Die Spannung entweicht aus dem Körper und Platz für etwas Neues beginnt.
Fließender Übergang. Rückkehr. Lesung auf Polnisch. Die Abreise hat schon begonnen. Ich merke es nicht, aber es ist da. Der Aufstieg beginnt. Mühsam. Technik versagt. Gehe langsam. Verliere wertvolle Steine, harte Arbeit auf dem Weg zurück aus der Fremde ans Licht am anderen Ende. Ich hoffe, mehr als ein paar Dinge zu retten. Zuversicht steigt gegen Ende, da die Kräfte aus dem Körper langsam weichen (trotz Adrenalin) und schließlich die Stimmen verraten, dass die Oberfläche nicht mehr weit ist. Zurück aus dem Berg. Zurück über Tage. Kattowitz / Köln . Reise zum Mittelpunkt der kleinen Wichtigkeit. Menschen mit Achtung begegnet. Trotz Staub im Gesicht. Schwer atmet die Lunge. Bergbau ist ein hartes Geschäft.