Entschuldigung am Sarg
An dieser Stelle
folgt nun die obligatorische
Entlastung des Täters, der
sich seiner Schuld bewusst
wird und werden muss
um nicht einfach Kopf und
Kragen zu riskieren
in den Köpfen der Gleich-
gesinnten bleibt die
Empörung als der volle
Erfolg und das „das wird man
doch noch sagen dürfen…“
und das „…darf man eben nicht!“
die Frustration und die
vermeintliche Repression sind
in manchen Köpfen ein
verbindendes Gefühl, man
sieht es ähnlich, das Schweigen
connected und wenn mal einer
spricht, dann ist das ein Zeichen
der Stärke, und das gilt dann
auch in dem Moment, da man
sich dazu entschließt, sich
als geläutertes Individuum in
der Öffentlichkeit zu zeigen
die Woken klatschen Applaus
für den Sieg über die Moral
und ein bisschen für sich selbst
es ist eine Kunst, sich eigene
Fehler einzugestehen
…
mit der Entschuldigung
unterwirft man sich zwar
dann der höheren Ordnung
dem geltenden Recht der
Gewohnheit und dem
bürgerlichen Anstand, der sich
echt krass gewandelt hat, aber
die Knechte schwören ihren
Lehnseid irgendwann, alle und immer
weil sie Follower:innen brauchen
wie Blut, Sauerstoff, Adrenalin
genau genommen sucht man
die Sucht, das Publikum und das Konzept ›Liebe‹
deshalb bist du unfrei statt clean
und abhängig von den Mächten
des Geldes, von den Besitzenden
von der Abschlussklasse ’45
von falschen Versprechen, von
Ruhm, Ehre und Hoffnung und
von der sozietären Mechanik der
Herrschaft durch Gewalt. Es ist
einfach ganz große Scheiße
wir weben, weben und
weben und leben und leben
nicht mehr von der Sache
die man Schreiben nennt.
Die Maschine übernimmt
ich hänge an ihr
meine Patientenverfügung
greift zu einem späteren
Zeitpunkt, ich habe dem
Algorithmus eine Vollmacht
erteilt, er oder sie weiß besser
wann das Ende sinnvoll ist, deshalb
treffen wir jede Entscheidung
gemeinsam, wenn
ich ausreichend studiert wurde
und wenn meine Produktivität
verloren geht, dann bin ich
kein Mensch mehr
und wenn…
…ich werde mich wehren und
starte die Revolution gegen
das Muster, das ich nicht bin
am Vorabend treffe ich mich
und wir zeugen die Zukunft
ganz ohne Technik.
In der Zwischenzeit suche ich
im Internet einen Workaround
ich fühle mich gut und auch etwas
befreit von dem ganzen Scheiß, dem
DRUCK DRUCK DRUCK
des game of life.
Schreiben muss trotzdem
sein sein sein
Dem entsprechend
muss ich mir eingestehen
SCHRIFTSTELLER SEIN+
dass ich eine Kritikerin liebe
lieben muss, lieben werde (kurzzeitig)
und einen Kritiker auch und
ich möchte, dass sie beide
meine Gedichte lesen und
damit hausieren gehen (mein Avatar!)
dass sie sich darüber ärgern
freuen oder dass sie mich feiern (wer auch immer das ist)
als ihre Entdeckung, ihr Kind
sie müssen mich endlich auch lieben!
nie sind die Eltern da, wenn man… hier einfach mal weinen.
–
das Leben ist kein Versprechen
sondern einfach und hart, irgendwann
will jede:r mehr, den Erfolg und
FAME FAME FAME
es ist eine Droge (dann DU.)
der Text ist kein Stoff (dann WIR.)
sondern der silberne Löffel (dann ALLES.)
ich bin der Junkie im (Plural als Exitstrategie.)
Marmeladenglas und sitze (never! ruf dich zurück)
heute an Kalk-Post („treffen 13:00 Uhr an der Freiheit“)
niemanden interessiert (interessieren uns für niemanden)
meine Geschichte, nicht deine (eben doch)
nicht ihre, obwohl sie wirklich gute (besser, am besten)
Bars auf die Straße bringt. (für dich hören wir Wolfgang Petry auf der Kirmes und schießen die Blume aus der Ewigkeit. Die Auflösung des Geschlechts ist eine patriarchale Dystopie.)
Ich ist ein gottloses Wesen
Er weiß nicht, ob das gut ist
Sie macht es nicht besser
Es könnte alles anders sein (wirklich?)
Wir sitzen alle in einem Dilemma
Ihr seid für niemanden eine Hoffnung
Sie sitzen in der Eifel und lachen
– über ein gutes Gedicht, gerade
keine Kritik anwesend.
Die Tastatur sagt: „Entschludigung für alles…“
Die Maschine ergänzt: „…und danke für gar nichts.“
Der Text fällt in Ohnmacht und schläft
in einem gläsernen Sarg mit
LED-Beleuchtung im Stadtwald
pinkelt ein Hund an einen toten Baum
und sät Zweifel an seiner Existenz.