Eingangskontrolle

Ich stehe an der Tür
und schaue
wer hier hinein
und wie oder mit wem
er oder sie hinausgehen
manchmal haue ich
dazwischen
ich bin nicht schlechter
als meine Kollegen
aber ich muss mich
trotzdem
immer wieder erklären
beweisen und
manchmal lachen mich
beim Hineingehen
manche heimlich aus
Männer wie Frauen
da gibt es, so gesehen
kaum Unterschiede
aber es gibt natürlich
auch die coolen Menschen
denen das alles entweder
egal ist, weil es ihnen nicht
auffällt oder weil sie
die Abweichung von
der Norm gar nicht sehen
weil sie längst neue Kategorien
für sich fest verankert haben
oder ohne gut leben

ich bin Martina, 23
ich stehe am Rose Club
ich mache die Tür
ich bin in der Zukunft
und komme
aus der Vergangenheit.

shiftstella

mache viele fehler
bin eine gescheiterte
existenz
treffen sich zwei
lebensläufe
leere tabellen
lassen sich nicht
füllen, nicht erweitern
motivationsschreiben
läuft ins leere
finde alles scheiße
außer das Leben
aber anders als
die rich people es
mir erzählen will ich
nicht einfach für
arschlöcher arbeiten
für kriminelle und
für die gewalt der
macht die
mich ausbeutet
lebe lieber
auf der straße
kämpfe für mein
synthetisches Jetzt
endlich real
kann nicht anders
aber steffen und
alma halten mich
warm, wenn ich friere
und sie lachen so herzlich
wenn die sonne den
schweißgeruch triggert
fällt es mir plötzlich auf
warum ich
nicht einfach gehen kann
und weil ich sie brauche
bleibe ich hier
ohne money
aber mit ganz viel
andersseinglück
.

Wiener Platz

Wir treffen uns
nicht das erste Mal
aber es ist noch
genau so aufregend
wie mit 13 oder 14 als
wir noch in
verschiedenen Klassen
waren und nicht
auf derselben Schule
du in einer anderen Stadt
und ich sowieso

dann kamen wir her
es war 1995 oder
ein Jahr später, genau
erinnere ich mich nicht
es ist auch egal und
heute treffen wir uns
das erste Mal am
Wiener Platz
zwischen Junkies
und betäubten Biografien
wissen wir plötzlich
was Liebe ist, wenn
sich Menschen begegnen
und dann sind wir
zusammen unser
Heroin addicted.

Küss mich hart, küss mich wach

Man soll nicht
träumen, wenn
man im Glashaus liegt
das Schaufenster zeigt
Schneewitte, der Ältere
draußen is‘ Randale
für Löhne, für Revolution
gegen alles was
scheiße ist und mehr davon
Krawall muss nicht differenzieren
wenn er für das Gute kämpft
bleibt ein Stein ein Stein
und eine Polizistin oder
ein Polizist bleiben Eltern
mit einem Zuhause

eine Abschweifung
es ist verdammt langweilig
liege hier zwischen der
Frühjahrskollektion
als Diener des Konsums
Prinz:essin halbnackt
Sex sells Klamotte
paradoxe Gegenwart!

auf dem Kopfsteinpflaster
steht ein Hund und
er oder sie ist wie ich
wir sind zusammen
locked in a situation
dann kommt die Filialleitung
sie küsst mich hart
sie küsst mich wach
und sie legt mir
ein Halsband an und
sie versteckt mich im Keller
bis nächstes Jahr
was für eine
beschissene Welt
wenn man
an Märchen glaubt.

Filterkaffee ohne mit

Mein intelligentes
Zuhause ist ein Gewinn
für mich und für
die gesamte
Menschheit, die
ich dafür
untergeordnet
habe
mir
meinen Interessen
globale Aufgabe
Eigenheim
totale Vernetzung
mein Smartphone
sagt mir
dass es gut ist
und spielt eine
Playlist Best of Oasis
der imperiale Marsch
macht keinen Halt
vor der Schranke
jeder Zug prallt an
mir ab, denn
ich bin in der
höchsten Etage
angekommen und
ich schlafe mit
meinen Angestellten
und mit Untergebenen
sie alle passen sich an
meine Gewohnheit
und meinen Bedürfnissen
an, zu jeder Zeit, jetzt
gleich und für immer

heute morgen
läuft der Kaffee
durch den Filter
ohne Kaffee
mit Filter
ohne Kaffee
heißes Wasser
macht mich
nicht wach
und mein Harem
ist eine
Phantasie
denn ich bin
eine arme
Giraffe ohne Hals
aber wen kümmert’s

Bedeutungslosigkeit

Bin ich schon
bedeutungslos
oder wann fängt
das Nichts an
und wann kehrt
der neue Name
zurück, damit
man mich
verhaften
werden wird
für eine Tat
die ich nie
begangen
haben werde
aber ich bin
verdächtig, denn
ich denke
frei und progressiv
damit die
Deutungshoheit
nicht auf die
falsche Seite der
Macht
wechselt, denn
dann wird es
undemokratisch

in der Kneipe
nennt man mich
den ‚Idealisten‘ und
ich weiß nicht
ob er oder sie
wirklich ideal sind
aber sie sind jetzt
zusammen und
suchen Menschen
für eine Swingerparty
nicht der Langeweile
sondern der Liebe, eine
Orgie der Humanität
macht mir Angst

Hier Empathie durch eine
Großaufnahme von
etwas wirklich Menschlichem.

ich bin so katholisch
oder christlich oder
einfach einfach

auch romantische
Welterzählungen
sind kompliziert, so wie
der Beziehungsstatus

ich ruft den Papst an
dort geht nur der
AB ran und ich
bin froh, dass die
göttliche Vertretung
noch nicht auf die
KI
zurückgreift

Historische Rückblende, bestenfalls
einen Beitrag aus dem Archiv einbinden.
Die Szene zeigt die Auskunft und einen
Mann, der sich von einem „Fräulein“ höflich
„ein Amt geben lässt“. Sie ist sehr freundlich
wirkt jedoch depersonalisiert und wie eine
Puppe im Dienst der Gesellschaft.


ansonsten ist alles
lebhaft, leblos
orientierungsfrei
und ohnmächtig
manchmal schön
wenn du da ist
und wenn sie
vergessen
dass morgen
Konflikte
Kontroversen
Katastrophen
das Hier und das
Jetzt bedrohen
wenn sie gerade
eine Atempause
machen und im
Himmel die
Ruhe der natürlichen
Vernunft als Kunst
entdecken und
nicht erkennen.

Sortieren

Ich räume
Briefe in meinen
Onlinespeicher und
drucke E-Mails aus,
damit sie im Ordner
staubig werden.

Einiges will ich
scannen
benutzen
will ich es analog
und dann
suche ich
aber finde nicht
alles wieder, denn
manches steht im
Ordner, den ich
„Bald mal sortieren
– müsste“

Die perfekte Lösung
könnte mal was
wegschmeißen
aber dann braucht
man den Müll doch
für irgendeine Sache
die man so nicht hat
kommen sehen
ich verschwende
Lebenszeit
an einem Locher
ich bin
ein Subjekt der
verlorenen
Moderne.

Hallo KI.

Es läuft nicht linear

Die Uhr zeigt
eine Zeit und
ich bin zu spät
oder zu früh
wir sind pünktlich
danke, Deutschland
das Essen schmeckt
die Getränke auch
ein langes Gespräch
viele Fragmente
wie lange hat es
gedauert bis
die Aufkleber
das Trash Chic zu
einem wohnlichen Ort
haben werden lassen
die Frage bleibt offen
„Kein Mensch ist
genital.“

Politische Gespräche
das linke Spektrum
suchen und finden
vielleicht eine
Minderheit, denn
niemand will wirklich
die Gleichheit, wenn
es an den eigenen
Wohlstand
geht.

Denken an Person
denken an den Rhein
denken an das Ich
denken an …
… warten auf
… was.

Da ist eine Zuversicht
dass es Form findet
und der nächste Patch
macht die Jacke
unique „machen Sie
sich selten“ und
arbeiten Sie nicht
schwarz oder für
„nassing“  [nothing]

Die Angst vor der
Armut steht den
Jugendlichen ins
Gesicht geschrieben
sie wollen etwas
„dazuverdienen“
für die Familie
differente Weltbilder
und Realitäten
obwohl es die
nur im Singular
gibt
geben sollte, aber
was ist schon
Grammatik
an einem
Samstagmorgen.

Kriegstreiber

17.01.2017

Da stehen sie
mit ihren Messern
die Metzger Beleidigung des Berufs
„Schlächter!“
und Passanten

Mit ihren Messern?

So sie da stehen
was ist der Grund
wen sie gesehen
war’s das Vieh?

Im Grunde ja
es waren die –
sie dafür hielten
und wir standen da
weil wir verspielten
all unser Geld und
noch viel schlimmer
den Kredit

„Es war doch Wucher!“

Der Zins brach kein Genick
es war der Handgriff
des Lehrlings nicht!
es war der Meister
und gekonnt
kappt er in Freiheit
unser Band
Frieden
den –
nur durch Krieg man fand.

Geschwindigkeit

Muss mal wieder
bisschen die Finger
über das Board führen
das Klackern der
clicky switches
hat mir nie gefehlt
bis es da war und nun
ist es so leer, wenn
es nicht klackert
und die Meditation
findet ihr Ende, wenn
die Finger ruhen
hätte ich gar nicht
gedacht, dass man
mal so einen gamer
in sich entdecken würde
spiele jetzt fast täglich
ms word oder excel
bald steige ich in
den multiplayer ein
und dann prompte ich
gegen die ai
nur um zu zeigen
dass der Mensch
noch immer
den Fehdehandschuh
beherrscht

wenn ihr nichts mehr hört und seht
dann hat die Maschine gewonnen
wenn es anders kommt, dann
vielleicht auch. Wie können wir
es wissen, es sind doch
nur Zeichen im digitalen Raum
nichts, wenn der Strom ausfällt
macht Hannah die Kerze an
und nimmt mich in den Arm
wir erzählen uns
von früher und sind dabei
glücklich*

Wo warst du

Die Tage ziehen
in das Land und ich
hat keine Sorgen
nur die Ruhe und
das Leben macht
es gerade einfach
antizyklische Realität
in Zeiten der Krise
wird das Gefühl
getragen von
der Hoffnung auf
den Frühling und
die Sonne, den Wind
in der lauen Nacht
am Deutzer Hafen
wie früher, bevor
das Kapital den Schrott
aus der Landschaft
vertrieben hat, eine
echte Schande für
einen Industrieromantiker
das muss man so sagen
die Zukunft muss
irgendwo ankommen
dürfen und die Menschen
stehen in Kalk und warten
in einer langen Schlange
in der Hoffnung auf
eine Wohnung
eine, nicht alle
bekommen sie, viele
werden einfach weiter
auf der Suche bleiben
die Würde des Menschen
hat kein Zuhause und
doch lachen alle so nett
und so freundlich spricht
mich das Kind an und sagt
dass seine Mutter sich
gerade endlich von
„dem Papa getrennt hat“
der sei ein Schläger gewesen
häusliche Gewalt nicht
ein Problem von gestern
sondern von immer
und trotzdem schreien
die Kinderaugen mutig
ihre Hoffnung und die Gier
nach dem Guten hinein
in den Nachmittag
und das kann so
nicht ungehört
bleiben, siegen
ein neuer Tag
ein neues Zuhause
schon immer
im Jetzt.

Der rote Faden

Gestern um 1
steht ein Mann
in seinem Kiosk
und sagt, dass
die Preise
gestiegen sind
das Licht, die
Kühlschränke
das Leben
auch für ihn
alles ist teuer
teurer ist
nicht mehr
drin, dann
muss; ist es
vorbei, bald
die Krise kann
noch schlimmer
werden, wenn
die einen und
andere auch
niemand sucht
den Frieden, hinter
dem Bart sucht
der Mann die
Existenz
-grundlage
immerhin sind
zwei Kinder nun
groß, können
was dazu verdienen
ein Studium ist
nicht drin, das macht
er deutlich, sehr
groß war die Hoffnung
vor vielen Jahren
als er den Laden
übernahm und
ich sei doch auch
häufiger gekommen
jetzt gehe man halt
zu den anderen
man ist weniger
beim Kiosk
es gibt keine
gute Antwort
auf die Zeit, die
Fragestellung
und das Problem
„Ich komme jetzt, mal
wieder häufiger.“
***
Kaufe Zigaretten
aus Solidarität
bis das Bier
9 Euro kostet
bleibe ich
Nichtraucher
dann ist auch
alles egal
aber so weit
lassen wir es
einfach nicht
kommen.
***
Der Letzte
macht das Licht
aus, aber nicht
die Hoffnung, in
Kalk ist sie
bedroht, aber
unsterblich
bleibt das
Arbeiterviertel.