Meine Großmutter liebte meinen Großvater sehr. Sie beide hatten ihre Neurosen. Das zeigte sich im Telefon. Er überwand sich, damit sie sich weniger überwinden musste. Und sie verstand das. Das verband die beiden. Wenn es darüber hinaus Dinge zu klären gab, dann sprachen sie miteinander. Für die Großstadt hatten beide nicht viel übrig. Der Verkehr war ihnen gemeinsam suspekt geblieben. Einen Führerschein besaßen beide nicht. Sie gingen zu Fuß, fuhren mit dem Rad oder gar nicht. Zu uns kamen sie mit der Bahn, – das war aber eine seltene Ausnahme und vor meiner Zeit. Später kam nur noch meine Großmutter.
Wenn wir sie am Hauptbahnhof abholten, verließ sie den Waggon gegen die Fahrtrichtung und suchte schnellstmöglich den nächstgelegenen Treppenabgang. Unter vielen Menschen wurde sie unruhig. Das mochte sie nicht, weil sie sich immer sehr im Griff hatte und sie wusste, dass man es ihr ansah, wenn sie die Kontrolle über sich unter anderen verlor. Daher trafen wir sie erst etwas abseits der Stimmen auf dem Bahnhofsvorplatz. Dort verlief sich der Strom in verschiedene Richtungen und sie wurde ruhiger. Wir warteten in der immer gleichen, abgelegenen Ecke, das war die Vereinbarung, die wir stillschweigend nie trafen. Und wenn sie dann jedes Mal sehr bestimmt durch die Glastüren ging und auf uns zukam, griff sie sehr schnell und so bald als möglich nach meiner Hand wie nach der eines geheimen, vertrauten und lange vermissten Menschen.
Trotz ihrer Selbstbeherrschung sah ich in ihr immer das ganze Zittern der starken Empfindung und fühlte, wie sie in mich hineinsprach, wenn sie mich fragte, wie es mir geht. Sie suchte die Nähe, die sie manchmal nur dachte, und sie blieb in der Stadt eine Fremde. Sie sah durch mich die Enge, die sie betraf, und sie vergaß dabei, dass ich hier aufgewachsen und nie weggekommen war. In mir war all das ganz natürlich, gegen das sie so hart war, dass sich das Blut manchmal staute.
Definitionssachen
/in BlogJeder Jeck ist anders
und doch sehen alle
gleich aus…
Faschisten lieben
Uniformen und
Karnevalisten auch
sie wollen sie aber
eigentlich zerstören
die Macht, das Leid
das Hoheitsprinzip
wollen sie das
wirklich
in Köln oder regiert
die
Einparteienmentalität
in den Köpfen der
beschränkten
Freiheit
der Rhein schweigt
der Dom starrt in den Himmel
in Frankreich kippt ein Glas Wein um
ein Kind raucht wie ein Schornstein
und Napoléonkostüme liegen im Trend
immerhin tragen viele inzwischen
einen BH darunter, es gibt Hoffnung
es lebe die Subversion.
Gute Laune
/in BlogKarneval
eine ambivalente
Geschichte
Kostüme sind
eigentlich
eine gute Idee
auch die Sache
dass man mal
alles rauslassen
kann
aber manche
Dinge waren mir
daran
schon immer
sehr fremd
warum nicht
das ganze Jahr
polyamorös
leben und
sich durch
Drogen swingen
den Rausch genießen
das Kölsch ist
keine Saisonfrucht
und Schlager
gehen auch immer
oder eben nicht
meine Freunde
treffe ich
unter der Woche
wir stellen fest
dass Klüngel nur
ein Synonym für
Korruption ist
wahrscheinlich
kommen wir nie mehr
auf die Füße
weil jetzt ein Prinz
beleidigt ist
einer, der
den totalen Spaß
diktiert
Ach, wie gut, dass
niemand weiß…
Alaaf.
Noch eine Baustelle
/in BlogDie Stadien werden
jetzt nicht mehr gebraucht
weil Fußball doch eine
blöde Idee war
aber der Totalitarismus
und die Autokratie
sind die Liebe der
Herrscher
das goldene Steak
prügelt ein Weltstar
nach einem fast
verlorenen Sieg
aus seiner schwangeren
Freundin, die man ihm
als Gebärmaschine
zur Seite gestellt hat
sie agieren einfach so
so einfach agieren
die Funktionäre
sind daran gewöhnt
Menschen zu besorgen
wie lebloses Fleisch
gesteinigt wird
die Aussage der
freien Frau, die sich
behauptet
ein Mädchen
verliert den Kopf
noch vor der Geburt
es ist eine Katastrophe
und jetzt geht die
Inszenierung der Macht
weiter in einem
anderen Land mit den
Leuten, die es
einfach bestimmen
wann machen wir
das Flutlicht aus (Klima!)
widmen wir uns stattdessen
dem Minigolf!
Derweil liegt ein Antrag
noch immer in der
deutschen Verwaltung
die Zustände auf Baustellen
im Inland sollten mit denen
im Ausland, im Gastgeberland
verglichen werden
es liegt keine
Verschwiegenheitserklärung
vor, aber auch kein Interesse.
Wir schaffen das
/in BlogIrgendwo dort
hinter den sieben Bergen
in den sieben Zelten
da kocht eine alte Frau
einen Tee für die Kinder
und ein Mann sitzt mit
Zahnschmerzen
weinend im Regen
er hatte sich das alles
anders vorgestellt
und wir auch.
Kara Tepe
war seine Hoffnung
die gewollte Not
war sie nicht
die Katastrophe
hat hier erst begonnen
weil ›Deutschland‹
eine Illusion war
statt Sicherheit
findet man hier
noch immer
keine Lösungen
für das gemeinsame
Problem.
Werte geleitet
die Politik in Europa
und im Ausland
lachen sie sich kaputt
weil jemand sich
berufen fühlt
die Anwesenden
über Fake News
in der Politik
zu belehren.
Europa ist
eine Hoffnung
die in Europa
beginnt
beginnt
die Hoffnung
in Europa
heute, morgen
übermorgen?
Demokratie ohne Menschen
/in BlogIm Laufe der Jahrhunderte hat sich herausgestellt, dass die Politik immer wieder überfordert ist. Die ›Politik‹ gibt es zwar ohnehin nicht, aber die Menschen, die im Hintergrund arbeiten, sind entweder überfordert, ungebildet oder kalkulierte Opportunisten. Natürlich sind das nicht alle, aber die anderen sind so beschäftigt, dass sie gar nicht zu Wort kommen.
Die machen das
/in BlogIch geh mit meiner Karriere
und meine Partei geht mit mir
da oben, da leuchten die Posten
hier unten da arbeiten wir
Mein Licht ist aus
ich geh‘ nicht nach Haus
rabimmel, rabammel, rabum.
Flurbereicherung
/in BlogEs ist
verrückt wie
die Erinnerung
sich festsetzt
festgestetzt hat
wiederkommt
und dann
ist das Bild
sofort in meinem
Kopf
wie ein Screenshot
der Wirklichkeit
synchronisiert mit
dem Jetzt und
hier frage ich mich
ob ich noch Herr der
Lage bin und ob ich es
überhaupt sein muss
STRG+F
…
vertraue darauf
es teilweise
zu sein
und das reicht aus
denn ich vertraue
auf dich
und darauf, dass
es so irgendwie
gut geht
das Lachen, die
Stimme, deine
rettet mich
durch den Tag
seit gestern
schon wieder
das muss es sein
das Glück und
das Leben
Auto, Mustang+Mate
/in BlogParke mein Auto
in einem toten Winkel
komme vom Land
fahre jeden Morgen
in die Stadt
Stau
suche einen
Parkplatz
zu viele Anwohner
fahren nicht
mit dem Auto
haben aber eins
finde das nervig
will mein gutes Stück
meinen Erfolg
irgendwo sichtbar
präsentieren
ich bin eine Reiterin
des Glücks
mache Karriere
und bin
der Erfolg in persona
binde meinen schwarzen
Mustang
gerne sichtbar
vor den Saloon
damit mich Menschen
bewundern
das Volk und die Armen
sie sollen mich lieben, mich
nicht irgendwen anders
bin nicht irgendwer
sondern der Jemand
ich bin der Held
in der
modernen Welt
und ich kaufe mir
was ich mir wünsche
jetzt also
ne Mate am Kiosk
erzähle dort
meine Geschichte
harte Arbeit, Aufstieg, Chancen
das Büro ruft an
ich bin so wichtig
…
der Kioskbesitzer
hat nur 4 Stunden geschlafen
war schon im Großmarkt
und klagt nicht mehr
über die Strompreise
es kommt irgendwie hin
immer, irgendwie
halb legal, getrieben
vom Markt
den andere bestimmen
selbst ist der Liberale
morgen heiratet seine
Tochter
die Liebe des Lebens
sie suchen die Freiheit
und reiten in den
Sonnenuntergang
in Richtung Norden.
Es gibt einfach etwas
/in BlogIch gehe nach
draußen und bleibe
in der Welt, die
ich vergessen hatte
weil die Stadt mich
betäubt
das industrielle
Rauschen
im blauen Licht
des Bildschirms
suche ich den
Menschen in der
Matrix und vergesse
dass mir gestern
drei gute Typen (er/sie/es)
im Flur begegnet sind
lachend und zugewandt
offen und fröhlich
glücklich über das Jetzt
und darüber
dass man sich kennt
und ich bin es auch
dass das so geht
vergesse manchmal
mich daran zu erinnern
und dann ruft mich
der Rhein und macht
das ewige Eis zur
Hoffnung und nicht
zur Angst, wenn
die Natur mich
daran erinnert
wie groß sie ist
und ich bin klein
aber nicht
bedeutungslos
du kommst
über die Brücke
und ich zähle
niemanden
außer dich
und die Drei
plus 10% Trinkgeld
an die Kneipe
in der so etwas wie
Gott hinter dem
Tresen steht.
Im Kern ist das hier vielleicht
ein religiöser Text
–
oldschool, sozusagen.
Dem Verfasser selbst ist das
im Prinzip überhaupt nicht wichtig,
denn es zählt in der Sache und da
geht es um die Begegnung
mit den Menschen und um
eine Sprache, die das Leben
als buntes Polaroid erzählt.
Aufgewacht
/in BlogNeben Europa
liegt ein Kontinent
dazwischen
liegt
eine Frage
und die Antworten
stehen nicht
im Erwartungshorizont
weil es keinen
gibt
und weil die
Zukunft
nicht in der
Vergangenheit
liegt
muss die Welt
darauf warten
und Europa
auch…
Derweil wartet
ein alter weißer Mann
nicht auf das Personal,
und er kocht schon mal
Kaffee.
Taschengeld
/in BlogDen Umgang
mit Geld sollte
ihr Kind früh lernen
zur Orientierung dienen
Taschengeldtabellen
diese gewöhnen ihr
Kind an die Wirtschaft
und sie konfrontieren ›es‹
mit ihrer Verwantwortung
der späteren Abhängigkeit
es handelt sich somit um eine
soziale Strukturfunktion und
um eine solidarische
Pflichtabgabe und
es dient der Gewöhnung
an die Grammatik des Kollektivs
es gibt keine gesetzliche
Regelung
das ist wie beim
sogenannten ›Schwarzgeld‹
das ist auch ein ›Taschengeld‹
da es nicht über Konten läuft
sondern durch Taschen wandert.
Meist bestimmt der Vater
oder ein mütterlicher Ersatz
über die Höhe, und
die Leistung kann als
feudale Fürsorge mit
einer Verpflichtung verbunden
werden, als solche können
kleinere Arbeiten oder
einfach nur Gesten der
Anerkennung gelten
sinnvoll ist
ein Foto auf einem T-Shirt
oder auf der Butterbrotsdose
damit alle Welt den
Erfolg des Oberhauptes
auch
mitbekommt.
Long live the King/Queen!
Der Unterschied
zwischen einem Taschengeld
und einem Arbeitslohn
ist die spätere Abgabe
an den Sozialstaat
diese wird nicht fällig
wenn man
für das Königreich arbeitet
oder für eine vergleichbare
Institution, die über der
Demokratie steht
das Privileg
tritt außerdem inkraft
wenn man
sein gesamtes
Leben auf dem
Taschengeldprinzip
finanziert
und sie verringert sich
wenn man
im Nebenerwerb
Kind bleibt, dann
erhält man auch später
von Patriarchen
Taschengeld.
Abstoßungen werden
in der Forschung aktuell
als
Prince-Harrykomplex
beobachtet und
kategorisiert
ein Medikament
ist in Arbeit.
Kommunikation und Verkehr
/in BlogMeine Großmutter liebte meinen Großvater sehr. Sie beide hatten ihre Neurosen. Das zeigte sich im Telefon. Er überwand sich, damit sie sich weniger überwinden musste. Und sie verstand das. Das verband die beiden. Wenn es darüber hinaus Dinge zu klären gab, dann sprachen sie miteinander. Für die Großstadt hatten beide nicht viel übrig. Der Verkehr war ihnen gemeinsam suspekt geblieben. Einen Führerschein besaßen beide nicht. Sie gingen zu Fuß, fuhren mit dem Rad oder gar nicht. Zu uns kamen sie mit der Bahn, – das war aber eine seltene Ausnahme und vor meiner Zeit. Später kam nur noch meine Großmutter.
Wenn wir sie am Hauptbahnhof abholten, verließ sie den Waggon gegen die Fahrtrichtung und suchte schnellstmöglich den nächstgelegenen Treppenabgang. Unter vielen Menschen wurde sie unruhig. Das mochte sie nicht, weil sie sich immer sehr im Griff hatte und sie wusste, dass man es ihr ansah, wenn sie die Kontrolle über sich unter anderen verlor. Daher trafen wir sie erst etwas abseits der Stimmen auf dem Bahnhofsvorplatz. Dort verlief sich der Strom in verschiedene Richtungen und sie wurde ruhiger. Wir warteten in der immer gleichen, abgelegenen Ecke, das war die Vereinbarung, die wir stillschweigend nie trafen. Und wenn sie dann jedes Mal sehr bestimmt durch die Glastüren ging und auf uns zukam, griff sie sehr schnell und so bald als möglich nach meiner Hand wie nach der eines geheimen, vertrauten und lange vermissten Menschen.
Trotz ihrer Selbstbeherrschung sah ich in ihr immer das ganze Zittern der starken Empfindung und fühlte, wie sie in mich hineinsprach, wenn sie mich fragte, wie es mir geht. Sie suchte die Nähe, die sie manchmal nur dachte, und sie blieb in der Stadt eine Fremde. Sie sah durch mich die Enge, die sie betraf, und sie vergaß dabei, dass ich hier aufgewachsen und nie weggekommen war. In mir war all das ganz natürlich, gegen das sie so hart war, dass sich das Blut manchmal staute.