Überall nass

Regen ist
nicht national
Wasser hat
nicht nur eine
Herkunft, es
kommt überall
gleich unten
an, als Regen
und in New
Haven ist der
Oktoberregen
so herbstlich
wie in Köln
wie in England
wie in Mexiko
wie in … [bitte ausfüllen]

Irgendwie beruhigt
mich das alles in dieser
schwierigen Zeit, eben
kommt eine Mail zum
Umgang mit dem Krieg
in Israel, natürlich sind
Schülerinnen, Schüler
in der Schule damit
so überfordert wie
alle Menschen, die
Krieg und Hass
nicht verstehen

was ist mit denen
die das alles gut
finden, die das
Recht der Stärke
die den Kampf
präferieren
wenn es um
das Überleben
geht. Ich habe
keine Antworten
wir sollen offen
und empathisch
kommunizieren
das sagen sie
in den News hier
auch, das raten
sie den Eltern
ich habe noch
nie einen Rat an
die Eltern in einer
deutschen Nach
-richtensendung
gesehen, warum

der Gott des
Gemetzels verlässt
den Broadway, die
Kinder schlagen sich
nicht mehr Zähne
aus, sondern sie
schießen sich tot;
vergewaltigen, rauben
oder sind einfach so
gefangen in der
wahnsinnigen Zeit
die uns nicht zur
Ruhe kommen
lässt – bis wann

es sind fordernde
Zeiten, der Regen
fordert mich nicht
ich sitze im Sessel
schaue Fußball
im amerikanischen
TV und hoffe
dass Nationen
Ethnien, Kulturen
irgendwann
einfach miteinander
leben, nicht
gegeneinander

woher kommt
all dieser Hass
das Leben, die
Liebe, all das ist
doch so schön
wenn man gerade
nicht im Schützen
-graben das letzte
Lied aus der
Heimat singt

eine
Johanna wird
uns retten
wenn sie
Gazrael
überlebt
ich habe
Hoffnung

der Regen
regnet überall
gleich schön
sanft und
nass
weiß ich
dass wir noch
leben
hier und wo
-anders.

Amerikanischer Regen

Heute, nach zwei
Wochen ist der erste
Regentag.
Ich hatte schon
ganz vergessen
wie Regen klingt
deshalb dachte
ich eine Stunde
lang, dass der
Nachbar gerade
duscht. Dann
dachte ich, dass
der sehr lange
duscht. Dann
habe ich nicht
auf meinen
Vortrag, sondern
nach draußen
gesehen und
dort pletschert
das Wasser
vom Dach.
Ich gehe mal raus
und teste, wie der
amerikanische Regen
so ist.

Ans Meer, fast sofort

In New Haven wird
man auf der Straße
öfter mal angesprochen
eine Frau ohne Zähne
fragt mich nach einer
Zigarette, I don’t smoke
ein Mann liegt auf dem
Gehweg und er schreit
in eine andere Welt, er
ist nicht der einzige
Junkie. Auf der Straße
begegnen sich die
Milieus, ich glaube
sie reden nie viel
miteinander, die
Haushälterin in
meiner Unterkunft
ist sehr sympathisch
ich weiß nicht, ob
man uns in Milieus
aufteilen kann
wir reden etwas
ich finde Menschen
großartig. Heute
versuche ich ans
Meer zu kommen
gehe über den Y
Campus, fühle mich
alt, arm, aber nicht
weiß, obwohl ich
heute dressed bin
es liegt etwas in
der Luft, überall
sind Pinboards
mit Aushängen
Fotos von Geiseln
der Hamas sind
überall, wenn ich
an Israel denke
hoffe ich, dass
wir Männer nicht
wieder ‚Helden‘
werden müssen
um uns im Welt
-krieg zu beweisen
es ist keine Antwort
nicht zurückzu
-schlagen. Die
doppelte Verneinung
tut in diesem Falle
weh, sie tötet und
traumatisiert. Videos
aus Gaza von einer
21-jährigen Studentin
werden im US TV ge
-zeigt. Die Frau spricht
so gut Englisch, dass
nichts untertitelt wird
sie sitzt auf gepackten
Koffern, 5 Flaschen
Wasser 1,5 L sind die
Notration, ich weiß
nicht mal, ob man dort
das Wasser in Litern
misst, aber ich reise
wohin ich will und
komme mir dekadent
vor, weil ich abends
Essen bestelle.

an diesem Tag gehe
ich über den Campus
bis in die Innenstadt
dort über das NH Green
eine Wiese auf der, wie
in der Uni, die Wege
diagonal angelegt sind
damit man sich trifft

Hatte ich das schon
berichtet?

ich treffe niemanden
aber ich bin auch kein
Student mehr und
danach rushed man
nur noch durch das
Leben. Vielleicht war
ich nie wirklich Student
oder ich bleibe einfach
so wie ich bin. Neugier
macht die Wissenschaft
und sonst… man muss
ja was tun, warum nicht
einfach was schreiben

also ans Meer, Meer, Meer
gar nicht so leicht, ich gehe
zur Union Station, dort nutze
ich die Toiletten und treffe
einen Professor, zumindest
bilde ich mir das ein, der Mann
sah klug aus, klüger, smarter
und erfolgreicher als ich, aber
wenn der Preis Für God, Für
Country, Für Yale
ist, dann
bin ich wirklich froh, dass
ich keine Parolen brauche
um meine Arbeit zu machen
wieder begegne ich mir als
bekennender Katholik darin
dass ich mit Hegels Gottes
-begriff gut zurechtkomme
die Führungsfigur in meinem
Geiste ist kein Diktator zu mir
eher ein Freund, eine Freundin
ein lebendiger Begleiter, der
oder die oder das Wesen lässt
mich die meiste Zeit in Ruhe
und einfach machen, an anderen
Tagen erwarte ich auch nicht zu
viel von der Orientierungsfigur
ich brauche keinen Vater im
Himmel, aber ein Gebet oder
ein Gedanke, der mich selbst
nicht zum Zentrum macht, ein
bisschen Solidarität und Liebe
das kann ja nicht schaden und
wenn man die großen Fragen
der Welt und des Seins nicht
beantworten kann, keinen Bock
auf Philosophie hat, dann hat
man.mensch immerhin einen
Parkplatz. Auf dem Parkplatz
des Hotel Marcel New Haven
will ich schon wieder umkehren
und frustriert darüber schreiben
dass man in NH ein Auto braucht
um an das Wasser zu kommen
was auch nicht ganz falsch ist
aber ich drehe mich glücklicher
-weise noch mal um und sehe
dann die Unterführung, das Wasser
ein Wunder! Nachdem ich über
die Church Street und gefühlt
200 Gleise gelaufen bin, dann
bis zum Highway der um die
8 Spuren in jede Richtung hat
und der in der Mitte durch einen
Zaun getrennt ist, nun endlich
finde ich die Lücke, gleich neben
einem IKEA der genauso blau
strahlt wie zu Hause in Köln

ich kenne keine Stadt, in der
man so viele Barrieren vor das
Wasser gebaut hat, frage mich
ob das gegen das Ankommen
oder gegen das Weglaufen
gedacht ist, vielleicht fährt
man auch lange am Wasser
damit man seine Träume nicht
einfach so aufgibt – Amerika

es riecht nach Salz und nach
Wasser, die Luft ist sofort eine
andere. Links sieht man ein
Frachtschiff und ein Terminal
Industrie ist überall, auch hier
nach rechts ist der Blick auf
das offene Wasser nahezu
endlos, es ist Ebbe, die Vögel
stehen im Sand. Ich gehe auf
den Pier, der an die Amistad
erinnert, das Sklavenschiff

[…] wurde durch einen erfolgreichen Aufstand afrikanischer Sklaven bekannt, der sich 1839 an Bord ereignete. Das Schiff wurde vor der Küste der Vereinigten Staaten von Amerika von der US-Marine aufgebracht, die die Afrikaner arrestierte. Die nachfolgenden Gerichtsverhandlungen – die sogenannten Amistad-Prozesse – fanden unter großem Interesse der zeitgenössischen US-amerikanischen und zum Teil der internationalen Medien statt und spielten eine Rolle für die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei in den USA. (Wikipedia 2023)

Das Schiff wurde in Baltimore
gebaut, dort fahre ich morgen
hin, es ist mein letzter Stop vor
der Konferenz. Ich frage mich
ob sich ein Zusammenhang
oder ein Vergleich zwischen
der Amistad und der Situation
am Mittelmeer und den Flucht
– und Migrationsbewegungen
heute herstellen lässt

Die Geschichte der Amistadt
wurde auch verfilmt. Sowieso
sehen für mich in Amerika alle
Straßen aus, wie die Filme sie
mir vorerzählt haben. Ich
komme aus den Klischees und
den Erzählungen nicht heraus
die Wörter, die man in mich ge
-legt hat, sie bleiben da sie ver
-dichten sich, manchmal lösen
sich einige auf und sie werden
bunt, aber das Korsett, das man(n)
mensch nach der Geburt angelegt
bekommt und dann später selbst
nachschnürt, es hält den Körper
zusammen. Was bin ich jenseits
von all dem oder wer bin ich dort
ich weiß es nicht. Die Amistad
schafft mich heute selbst ab, was
vielleicht ganz gut ist, man muss
auch loslassen können und ich
war sowieso nie gut darin, ein
Weißer zu sein, ich weiß auch
bis heute nicht, ob ich wirklich
dazugehöre, denn ich konnte
schon im Kindergarten schlecht
um die Förmchen kämpfen, für
mich war immer genug Platz
für alle in der Welt. Harmonie
wurde mir sozusagen in die
Wiege gelegt, ich weiß nicht
was daran schlecht ist. Vielleicht
ist das ein weißes Versprechen
ich denke an das Mädchen in
Gaza, an die Unterdrückten in
Afghanistan, an die Opfer und
an die Geiseln, die einfach nur
zur falschen Zeit am falschen
Ort gelebt haben. Es geht alles
so schnell vorbei, im Wasser
springen die Fischschwärme
nach oben, sie werden gejagt
manchmal sieht man den
silbernen Bauch der größeren
Jäger, die auch nur überleben
wollen. Der Reiher steht bedacht
an seiner Stelle und sticht ab und
an zu und fängt 2-3 Fische. Das
ist zu viel, einer fällt ihm aus dem
Maul und die anderen schluckt
er herunter. Danach schüttelt er
den Kopf, jedes Mal, er fängt
noch einige Fische mehr. Eine
Möwe fliegt hoch, lässt eine
Muschel fallen und prüft, ob
der Aufschlag auf dem Beton
ausgereicht hat, um die Schale
zu brechen. Sie wiederholt den
Vorgang mehrere Male, ich
wiederhole hier die Aussage
des guten Freundes, der Jäger
sagt immer: „Ja, dumm…
…sind sie nicht!“

Zeitgefühl

Die Formulierung in
der Überschrift dieses
Blogs suggeriert, dass
es ein Gefühl der Zeit
gibt, geben kann, das
man.mensch
singulär erfährt; in
Amerika ist die Zeit
aber eine andere, da
bin ich mir nach 12
Tagen nun sicher
der Morgen beginnt
etwas früher, abends
wird es etwas früher
dunkel, deshalb ist
die Messe im Prinzip
auch schon ab 5 Uhr
gelesen. Ab da stellt
sich der Körper so
langsam wieder
auf das Bett und
auf den nächsten
Tag, neue Heraus
-forderungen ein;
wichtig ist zudem
der Morgen ist dicht
intensiv, man schafft
das Wesentliche, die
Pause am Mittag ist
wichtig, nicht nur ein
Brot oder schnell
einen Burger. Wenn
man sich’s leisten
kann, dann muss
hier Entspannung
und ein Plausch
passieren. Gerne
mit einer Kollegin
oder einem *en
über die career
die man eigentlich
verfolgt hatte

der Abend ist
dann ein letztes
Einlaufen in den
Hafen. In Köln
liege ich anders
in den Wellen
so viel
ist sicher.

Y

New Haven besteht
im Prinzip nur aus der
Universität, also aus
Yale. Zumindest hängt
an fast jedem Gebäude
ein blaues Schild mit
weißer Schrift. YALE
ich habe eine Tour für
Touristen gebucht, sie
ist kostenlos und ich
stürze mich in das
Getümmel, von dem
ich zunächst nichts
ahne. Hätte ich das
gewusst, hätte ich
natürlich nicht meinen
Reisehoodie und die
10 Tage alte Jeans
angezogen, ich fühle
mich underdressed
und kann als Punk
nicht performen. In
der Gruppe sind
Leute aus Deutsch
-land, Argentinien
und die ehemalige
Nanny der Studentin
die unser Guide ist
sie ist aus NYC an
-gereist, was Abi
etwas irritiert, dann
ist sie aber schnell
in der Show, die in
Amerika überall, zu
jeder Zeit starten
kann. Sie kommt
aus New York City
studiert in Yale so
etwas wie Medical
Engineering, wenn
ich das richtig ver
-stehe und sie spielt
Soccer, also ist sie
auch ein athlete 
in Yale ist sie der
drei F wegen, sie
sagt
Fxxx [vergessen]
Friends
Food
paradoxerweise
ist das erste F das
akademische, deshalb
ist sie eigentlich hier
wenn man mal drin ist
dann sei das hier nicht
competetive, sondern
ein Teamplay, das Ding
man muss halt erst rein
und dann im Club der
Diversity aufgenommen
werden. Das Ziel ist
ehrenhaft, aber
in Amerika
kostet eben alles Geld
und ob hier wirklich
verschiedene Milieus
zusammenkommen
das würde ich gerne
überprüfen. In jedem
Fall frage ich mich hier
das erste Mal, ob unser
Vielfaltskonzept und
die Queerness der
westlichen Welt
möglicherweise eine
Selbstbehauptung der
Klasse imperialisitscher
Herrschaft sind oder
sein können, also so
eine Art Überlegenheits
-behauptung und ein
Claim of Deutungshoheit
gegen die neuen Wilden
die halt arm oder hetero
oder beides sind. Das
wiederum ist totaler
Quatsch, denn Oligarchen
und Autokratien suchen
ja irgendwie ihre Stärke
auch in einem Gesell-
schaftsentwurf. Deshalb
beende ich das Gedanken
-spiel. In jedem Fall ist die
Führung ein Erlebnis, ein
kleiner Junge hat sich in
Abi verliebt und er zeigt
das bald ein echter Mann
in ihm stecken wird, dem
Vater ist die Sache un-
angenehm. Eine Statue
von … er gilt als erster
Spion und die CIA hat
eine Replika, er wurde
kurz nach der Ankunft
in New York von den
Briten aufgehangen
um seine Füße ist ein
Seil, der Junge will
wissen, warum nicht
um den Hals, Abi
lacht und sagt: „Maybe
they wanted to give it
a more positive way…“
Dann enthüllt sie das
Geheimnis der Statue
da man nicht wusste
wie der echte Held
aussah, hat man 1914
einfach den schönsten
jungen Mann, der wie
ein echter Patriot aus
-sah, genommen er
ist nun das Denkmal
möglicherweise sind
alternative Fakten
doch keine so neue
Erfindung. Yale soll
auch der Ort sein
an dem viele firsts
located
sind. Ich
habe alle vergessen
glaube der Ham
-burger war dabei
egal, das hier ist
wirklich astonishing
dieses positive Gefühl
wie schön ein Studium
sein kann, lebt in der
ganzen Stadt. Das liegt
auch daran, dass man
das residential Prinzip
verfolgt, also die
Studierenden wohnen
in Dorms und werden
dann in Colleges
zusammengewürfelt
das klingt wirklich
gut, außerdem ist
das 6:1 Prinzip
maßgebend, das
ist ein Betreuungs
-schlüssel, den man
sich leisten können
oder wollen muss
genau das wird
auch die Basis
für diese Wärme
des Wissens sein
wichtig ist der
Studierenden, dass
überall professional
gearbeitet wird

das Essen muss
wirklich gut sein
sie erzählt drei Mal
davon, eine Frau
bittet dann, dass
sie nicht weiter
davon erzählen solle
es ist Mittag und der
Hunger spricht ihr
aus den Augen

in die Bibliothek
gehe ich später
alleine, weil unsere
Gruppe zu groß ist
auch da ist wieder
diese Nähe des
Wissens und die
Liebe zum Lernen
die hier aber nicht
eindimensional
gedacht wird, sondern
durch alle Dimensionen
der menschlichen Existenz
eine gute Forscherin ist
eben auch sportlich aktiv
mag gutes Essen und
sie lacht, tanzt und spielt

bald kommt die erste
Schneeballschlacht.

Benjamin Hitler

Der Mann frag mich
ob ich ‚Jewish‘ bin und
ich bin perplex, aber
ich verneine. Dann
sage ich , dass ich
aus Deutschland
komme. Er ist
fasziniert von New
Haven, weil man
hier so viele Menschen
aus der ganzen Welt
treffen würde, also
aus Uganda, Namibia
und jetzt auch aus
Deutschland. Dann
fragt er mich, ob
ich zur Schule gehe
und ich erkläre, dass
ich in Germany ein
Lehrer bin. Dann
fragt er mich, was
ich von Adolf Hitler
halte. Dann schaltet
die Ampel auf grün
was hier weiß ist
der Countdown
läuft und wir sind
wieder getrennt;
vermutlich für
immer. Hitler ist
scheiße, das gebe
ich natürlich noch
mit auf den Weg.

The Initial Moment

Ich bin bei Lievitos Pizza
den den dritten Abend in
New York, also New Jersey
direkt am Journal Square
und verlaufe mich sofort
weil die Blocks hier nicht
in römischer Geometrie
geplant worden sind
an Fußgängerampeln
steht nur, wer sich als
Fremder markiert
es ist fast so, als gäbe
es hier überall immer
und sofort ein Leben
zu verlieren, deshalb
geht man und man
wird nicht einfach
überfahren, es gibt
so eine Art ewigen
Reißverschluss
der die Menschen
chronisch bindet

ich gönne mir die
Ruhe und bleibe
einfach stehen

an Port Authority
gönne ich mir noch
einen Freshly Brewed
Kaffee, jetzt habe ich
das verstanden
nehme einen großen
Becher, aber in
Amerika ist Large
wirklich schon ein
Superlativ, am Ende
bekomme ich einen
Koffeinschock
während der Zeit
beobachte ich, wie
sich die Menschen
-massen Rolltreppen
hoch schieben zu
den Busterminals
alles wirkt wie in
einem Zukunfts
-szenario, aber
der Transit ist
schon hier und
heute. Ein Paar
trifft sich im Star
-bucks zur ge-
meinsamen
Rückfahrt nach
der Arbeit
ich breche auch
auf und habe Glück
am Anfang der
Schlange zu stehen
hinter mir telefoniert
eine junge Frau
sowieso wird hier
viel telefoniert zu
jeder Zeit und immer
das Business hat sich
erweitert, der Straßen
-bauer schaut in einer
kleinen Pause auf den
Instafeed, er schreibt
einen Kommentar

im Bus ist alles anders
hier hält die Fahrerin
an jeder Haltestelle so
lange bis wirklich jeder
und jede ausgestiegen
ist und wenn das nicht
der Fall ist, dann hält
sie noch einmal an
Geduld und Solidarität
sind hier spürbar, man
entschuldigt sich auch
für jede Kleinigkeit
das ist auf eine Weise
beeindruckend, ein
ganz anderes Amerika
triftt man hier, ich
sitze neben einem Mann
der sichtlich aufgeregt
ist, ob der Enge und ich
dachte bislang, dass nur
mir das so geht, wenn
sich Menschen zu viel
werden, als er der Bus
verlässt macht er einen
sehr sympathischen
Eindruck

am Journal Square schaffe
ich es an Tag 3 endlich, den
richtigen Ausgang zu nehmen
ich gehe die Straße hoch und
bestelle eine Pizza zum Mit
-nehmen und fühle mich ein
bisschen wie Kevin allein in
der großen Stadt, mit fast
40 kann man mal zurück in
die Kindheit verfallen, wenn
man sie als positives Trauma
in sich trägt. Der Mann an der
Kasse spricht englisch mit
italienischem (?) Akzent, ich
bestelle heute schneller als
vor 2 Tagen und er schaut
verwundert, sagt: „Barbecue
Chicken“, er hat ein Dejavú
und ich erkläre, dass ich
morgen abreisen werde
und dass ich diesen
wunderbaren Ort noch
einmal aufsuchen wollte

nach 20 Minuten komme
ich just in time wieder an
bekomme meinen Karton
und er überreicht mir die
Sache mit einem Blick
der mir erklärt, dass man
in New York ankommen
kann, und das liegt
vermutlich auch hier
an den Menschen

24 Stunden später
treffe ich „Benjamin“
auf einer Straße in
New Haven.

Standortbestimmung

Die Zukunft, die
ich aus den Filmen
kenne, hat
gerade begonnen
überall sehe ich
die alte Welt und
wie eine Kruste
löst sie sich ab
und darunter
wächst die neue
Haut und sie ist
bunter, jünger
und besser
vernetzt.
Die Zukunft ist
keine Nation
sondern
Gerechtigkeit
in zwei Welten
und drei Klassen
darunter ist der
einzelne Mensch
nichts wert

vielleicht gestalten
wir aber auch alles
anders

es gibt kein
zurück [sic!]

New York City

Ich hatte mir die Stadt
größer vorgestellt, das
Zentrum ist natürlich
groß, aber
für Amerika ist das
doch alles sehr normal
natürlich leuchtet
der Times Square in
der Nacht taghell und
die Menschenmassen
die sich durch die Stadt
schieben sind Wahnsinn
es sind Städter und viele
Tourist:innen aus aller
Herren Länder, das
ist sicher

in den Seitenstraßen
sieht man das Amerika
das gemeint ist mit
If you sit you are
NOT in the line
Schwäche wird sofort
bestraft, niemand
soll das große Lachen
trüben.
Am WTC Memorial
stürzt sich ein junger
Mann in den Brunnen
die Rettungssanitäter
fahren ihn auf einer
Bahre zum Kranken
-wagen, die Lage ist
stabil, zumindest
zeigt eine Sanitäterin
mit dem Daumen
nach oben und
die Polizisten sind
beruhigt.
Das Memorial ist
ein beklemmender
Ort, man muss Amerika
nicht mögen, aber dieses
Loch betrifft nicht nur die USA
hier geht es um Freiheit
und um Menschenrechte
ich frage mich dennoch
ob wir in einigen Jahren auch
nach Syrien, in den Jemen
oder an andere Terrororte
pilgern. Ein Pilgerstrom
schiebt sich auch über die
Brooklyn Bridge, am Fuß
der Brücke kommt das
Hafengefühl auf und man
merkt sofort, was durch
ein Flugzeug verloren geht
hier wird ein Haus verkauft
an alten Häusern hängen
Klimaanlagen außen, auch
an alten Hochhäusern
zumindest habe ich sonst
keine Erklärung, warum man
eine Klimaanlage im 30. Stock
an einem Fenster außen
montiert.
Die Freiheitsstatue sieht man
aus der Ferne, jeder Zentimeter
wird vermarktet, wer Geld hat
fliegt mit dem Hubschrauber
wer weniger Geld hat, fährt
mit dem Schiff, ich stelle mich
hinter den Zaun und mache
ein Foto von der Freiheit, die
ich meine.
In New York trifft sich der
Weltfrieden im Geld, das ist
schnell klar, für den Rest sorgen
die Gangs auf der Straße und
in den noblen Hotels, schnell
ist klar, dass jenseits der Nation
ein Bankkonto alle Fragen der
Integration klären kann, könnte
ich fühle mich sehr klein und
noch kleiner in Greenwich
oder SoHo, wenn ich Geld
hätte würde ich sicher auch
hier wohnen und meine
Sweater auf der 5th Ave
kaufen, aber ich habe nur
gerade so genug Geld
für diesen Trip und
komme mir trotzdem
großkotzig in NY vor
deshalb werde ich
vermutlich nie eine
Millionen machen
oder doch?
Eine Sache ist auch
klar, if you come from NY
you come from New York
im Bus setzt sich eine
deutsche Familie neben
mich und sie reden über
die Größe, den Platz
auf ihrem Klo in
Jersey City.
Ich habe mir einen leichten
Sonnenbrand auf dem Kopf
geholt, alles hier bleibt
ambivalent.
Vielleicht aber ist das hier
das einzige Schneller-höher
-weiter, das man gut finden
kann. Ich weiß es nicht.
Mit gemischten Gefühlen
landen heute auch die Jungs
der Nationalmannschaft.

Schreibstube

Das Appartement
in New Jersey ist eine
richtige Schreibstube
oben im dritten
Stock eines Hauses
die Treppe ist sehr
steil, aber wenn
man die Tür öffnet
dann kommt man
in ein kleines
Refugium, das
alles bietet
von der Toilette
zur Dusche bis
hin zum Kühlschrank
einer Mikrowelle
und einem Kühlschrank
sogar einen Abstellbereich
gibt es unter dem Dach
und natürlich einen
Schreibtisch und
ein Bett, neben dem
noch ein Nachttisch
seinen Platz findet

hier möchte ich
eigentlich gar nicht
mehr weg, aber
ich breche sofort
wieder auf und
versuche noch
etwas New York
zu erkunden

immer im Kopf
das die Nacht hier
in Amerika bislang
immer etwas früher
begonnen hat.

Welcome to New York

Thomas ist mein
neuer Name für New
York, ich bekomme
zudem einen Iced
Americano, anstatt
heißen Kaffee
– was willste
maachen
Jung…

New York
ist plötzlich
da, obwohl
der Bus
Verspätung
hatte, umge
-bucht und
dann letzte
Reihe am
Fenster
wie früher
in der
Schule

der Sitz
neben mir
ist kaputt
er wird
trotzdem
verkauft
willkommen
Amerika
heute sitze
ich auf der
Gewinner
-seite.

Auf der
Fahrt höre
ich Ryan
nicht Bryan
Adams und
sein ‚Taylor
Swift‘ Album
in Washington
lief eine junge
Frau mit Hund
und einem
Eras 2023
T-Shirt
auf dem
Gehweg
ich war
sofort
10 Jahre zu alt
für alles
und war irgendwie
froh darüber

um 8 Uhr in Phillie
gehen sie mit den
Hunden raus
heute verpasse ich
eine Parade, in der
Stadt bereiten
sie alles darauf
vor, so eine Art
Pride Straßen
-fest, könnte es
werden.

Ich frage mich
wirklich
warum man
Tiere an Leinen
durch die Stadt
führt, um ihre
Exremente zu
verteilen und
aufzusammeln
was ist das
für eine
Freiheit
die da
durch die
Straßen
wandelt

der Bus kommt
nicht, ich hole
mir einen Espresso
und weiß nicht
was double hier
meint, aber
kriegen wir
hin

eine junge Mutter
kommentiert das
Delay, ich gehe
nicht darauf ein
ich kann den
Smalltalk noch
nicht so richtig
aber, was solls

etwas später
raucht sie eine
auffällige Zigarette
bis gestern hätte
ich auch bemerkt
dass sie people
of color ist
heute fällt es
mir nicht mehr
auf, danke
Phillie is different

where do you
come from fragt
man hier jeden
ich komme aus
Köln, genauer
Bergisch Gladbach
Germany
ich war selten so
deutsch und ein
anderer Deutscher
in einem
weltoffenen
district.

Auf der Busfahrt nach
New York stelle ich fest
dass mein Hoodie einen
Flecken hat, woher
weiß ich wirklich nicht
aber ich fühle mich
not well prepared
for this next landing

im Bus höre ich Faust I
und schlafe dabei ein

dann steige ich aus
und fahre nach
Jersey City, New Jersey
nicht Manhatten
gehe ins Café Peanut
hole den Kaffee nach
LARGE is LARGE
und der Wrap stillt
den Hunger
der Mann an der Bar
spricht Polnisch
mit einer Frau, die
auf ihn wartet
ein Musiker
verlässt das Café
mit einer Frau
er hat eben noch
gespielt
jetzt läuft wieder
eine Playlist
mit guter Musik
eine ältere Frau
spricht fast jeden
an und wünscht
einen guten Tag

eine Person mit
Hut ist versunken
im Ich, welcome
to New York.

Zwischenstation Philadelphia

Ich habe Philadelphia
schnell ins Herz
geschlossen, das
liegt vor allem an
den Menschen, die
einem überall auf
den Straßen
begenen und
die zeigen
dass es
heißen sollte
all lifes matter
ich habe noch
nie verstanden
was People of
Color eigentlich
meint, dachte
weiß ist keine
Farbe, bis
heute war ich
also Rassist
hier ist klar
dass man
dazugehört
wenn man
möchte.

Ich werde diese
Stadt morgen
planmäßig mit
dem Bus verlassen
und dann vermutlich
lange nicht wieder
-sehen, aber doch
irgendwann
ganz bestimmt
bestimmt wieder
im Herbst
heute zog das
erste Mal starker
Wind durch die
Straßen, es gab
etwas Regen
hinter der Brücke
läuft ein Footballspiel
die Jugend, die
Eltern und das Viertel
schauen zu
es ist sowieso klar
in Amerika baut man
Sportplätze immer
mit einer Tribühne
außer die Tennisplätze
in der Innenstadt
möglicherweise
ist das eine versteckte
Elitenkritik, Einzelsport
der Herren in White

eine Katze liegt
im Fenster, Halloween
und Thanksgiving
sind groß
überall ist Deko
an den Häusern
Mutter und Sohn
schmücken das
Fenster
die Nachbarn
schauen zu

ich bin ein
letztes Mal
im Ultimo an
der 15th Street
die mir die Liebste
geworden ist
dann noch
Bagel von gestern
im South Philly
Food Co-op
nähe Snyder Station
nein I am not a
member (yet)

ein bisschen
Wehmut ist
dabei
ich stelle
inzwischen drei
Dinge fest
(a) Wer glaubt, dass Menschen einfach so von irgendwo flüchten, also aus Spaß, der hat kein Herz. Außerdem fällt es mir wirklich schwer, den Travel Imperialismus der westlichen Welt anderen Menschen zu verbieten. Schwer fällt mir aber auch die Vorstellung, was mit der Welt passiert, wenn Staaten wie China, Indien oder Brasilien und Südafrika das Recht auf freie Reise für breite Teile ihrer Bevölkerung in Anspruch nehmen und verwirklichen. Wenn alle so leben, wie ‚der Westen‘, dann wird das eine riesige Bewegung auf der Welt geben. Ich bin gespannt, aber ich habe auch etwas Angst davor, das gebe ich zu.
(b) Wenn man möchte, dass Menschen ein friedliches Miteinander organisieren, dann muss man ihnen mit offenen Armen begegnen und sie radikal integrieren. Das kann nicht einfach über Assimilation passieren, aber auch nicht vollkommen ohne. Der Kompromiss ist vermutlich die Lösung. Es ist eine riesige Chance, wenn man sich füreinander und miteinander öffnet. Gleichzeitig habe ich mir gestern die Frage gestellt, ob die europäische Eitelkeit in Sachen Migration daher rührt, dass man auf einmal nicht mehr die expansive Kraft ist. Stattdessen kommen andere Menschen und Mächte in das eigene Land und man muss sich behaupten. Aber kommen die Menschen wirklich als Eroberer? Ich kann diese Frage nicht beantworten, aber ich finde Migration gut.
(c) Diesen letzten Punkt habe ich tatsächlich schon wieder vergessen. Wird schon werden, Optimismus und Positivität ist immer gut, wenn einem sonst nichts einfällt. Die Zukunft wird toll!