Innovation in der Rehwelt

Er ist ein Autor
Sie ist eine Autorin
Beide haben
keine Ideen
keine eigenen
sie sind langweilige Personen
die sich über ihre gefällige Art
und über ihre Onkel und Tanten
und die Brüder und Schwestern im Geiste
zu ihrer höheren Position verholfen haben
sie sitzen da auf ihrem Hochsitz und jagen
die neuen Ideen wie junges Wild
das sich im Wald auf die Suche begibt
in der Hoffnung, nur einen Tag nicht
erschossen zu werden
das Reh steht auf einer Lichtung
es trägt ein Regencape
und feiert die neongelbe Revolution
beide schießen drauf los
rennen panisch zum toten Körper
um ein Selfie zu machen
um mit einem Reel davon zu berichten

und an den Tagen, an denen
alles ist wie immer
da sitzen sie ideenlos da
streifen durch das Internet
bedienen sich an den Quellen
die ungenannt bleiben
sie erinnern sich drei Tage später
nicht mehr daran
und dann verkaufen sie sich
als Genies
die Öffentlichkeit
applaudiert
sie bekommen mehrere Preise
und das sagt
es muss richtig sein

das Reh steht auf der Wiese
es trägt jetzt Camouflage
es wird der Tag kommen
da schießt es zurück
passt auf euch auf ihr
Jäger:innen des Geistes

Es ist kein Freud

Ich bin nicht die Person
mein Text ist nicht meine Meinung
ich rede nicht über mich
ich rede nicht über mein ›Ich‹
ich bin auch kein ›anderer‹
schon gar kein ›anderes‹
ich bin ein Mensch
ich rede mit Worten
ich nehme sie aus der Welt
ich beobachte Themen
ich stelle Fragen
ich rede durch die Sprache
und suche die Orte
an denen die Welt nicht ist
außer Schweigen
außer Repression
außer Gewalt
ich brauche niemanden
der mir meine Psyche erklärt
der mich für die Strukturen erschließt
der mich gefügig macht, für seinen Willen
der mich übergriffig formt, zu seinem Objekt
ich bin eine freie Natur
ich bin erwachsen
ich bin der Andere (nun doch!)
prüf du, dich und deine Systeme
und grüß mir (in deinen Träumen)
den allwissenden
Doktor
ich bin draußen
spielen
die Natur
ist mir gnädig
es regnet
.

Bodycount I

Ich bin jetzt 325 Tage hier
habe 27 Männer getötet
2 eigene (versehentlich erschossen)
17 mit dem Gewehr
3 mit der bloßen Hand
4 mit einer Handgranate
3 mit einer Mine
jetzt habe ich einen Fehler gemacht
ich habe mich verrechnet
es waren mehr als 27

Ich bin jetzt 28 080 000 Sekunden hier
habe 13 Zivilisten getötet
eher ungewollt, aber das passiert
3 waren paramilitärisch organisiert
5 waren ›Beifang‹ im Eifer des Gefechts
7 Gefangene konnten wir nicht mitnehmen
1 alter Mann hat mich angespuckt
da sind mir die Sicherungen durchgegangen
ich hatte drei Nächte nicht geschlafen
und hoffe, dass meine Eltern
nie davon erfahren

Ich bin jetzt 468 000 Minuten hier
habe 7 Frauen vergewaltigt
zuerst habe ich nur zugesehen
dann musste ich mich im Korps beweisen
dann war es mir egal
3 davon waren vermutlich minderjährig
unschuldig waren die anderen auch
es war furchtbar
aber so ist der Krieg

Ich bin es gewesen
niemand anders
es gibt keine Entschuldigung
mein Truppenführer war stolz
meine Eltern werden mich hassen
ich habe gelernt
ohne Gefühle zu leben
ich bin ein Soldat
dafür werde ich bezahlt
deshalb lebe ich
noch –
bin ich ein Mensch?

Ich bin jetzt 7800 Stunden hier
hier ist immer woanders
hier ist niemals zu Hause
hier ist keiner mein Freund
hier ist kein Mensch meine Liebe
und doch: hier sind alle Menschen
ich bin ein Soldat
ich war 48 Stunden gefangen
wurde gefoltert
sie haben mir die kleinen Zehen
mit einer Säge aus dem Baumarkt
abgeschnitten
ich habe alles verraten
ich bin kein Held

dann haben mich meine
Kameraden befreit
dann kam der Feuersturm
und hat alles vernichtet
ich konnte nichts tun
und fühle
Genugtuung.

Ich bin erst 325 Tage hier
das sind 46 Wochen und 3 Tage
an einigen davon haben wir gelacht
aber kein einziger war gut
ich war fern von der Heimat
von meiner Frau und den Kindern
musste das hier lernen
die Angst hat mich getrieben
dann kam der Spaß
die Freude am Töten
das Gefühl von Macht
wie ein Rausch
ich war ein anderer Mann
nicht plötzlich
schleichend
ich war ein anderer Mensch
damals
heute bin ich der, der ich bin
ein Soldat ohne Leben
ein Kriegsverbrecher
ein Mörder
ein Vergewaltiger
ein Tyrann
in den Augen der westlichen Welt bin ich ein Feind
in den Augen meiner Führung bin ich ein ganz normaler Held
in den Augen von ihnen bin ich eine Gefahr, wenn wir uns treffen
in den Augen von dir bin ich eine Zumutung, wenn du das liest
in den Augen meiner Kameraden bin ich ihnen ein einfacher Freund
in den Augen meiner Feinde bin ich ein Mann mit dem gleichen Beruf
in den Augen der Zivilisten bin ich eine Bedrohung
in meinen Augen bin ich noch immer ein Mensch – irgendwo
ich werde das Gefühl der Ohnmacht niemals vergessen
die Hilflosigkeit, die sich gegen mich und gegen das Ganze richtet
bis heute war ich täglich ein Richter
morgen werden andere richten
heute ist mein letzter Tag an der Front!

Morgen ist mein erster Tag in der Freiheit
vergesst nicht, dass der Krieg mich
zur Schande gemacht hat
und ich selbst
ich trage die Schuld
für die Bestie, die ich geworden bin
ein einfacher Mann aus einem kleinen Ort
Familienvater und Sohn, aus armen Verhältnissen
ich trage die Verantwortung für all das
doch heute bin ich davon befreit
ich liege in einem Erdloch im nirgendwo
es wird nie wieder gut
das ist der Krieg.

Everything but Ordinary

Manchmal werde ich verrückt
Erschrecke vor mir selbst, raste aus
Ich lache mich in den Schlaf
Ein Schlaflied, meine Symphonie
Ich rase unentweg, bin rastlos
Ich will die Gefahr spüren, das Adrenalin
Die Ruhe macht mir Angst

Wie viele Menschen muss ich lieben?
Wie oft muss ich dafür atmen?
Was macht mein Herz roh und leblos
Warum blutet mich nichts aus
Ist das mein Leben?
Niemanden retten, niemals gerettet
Ich möchte doch einfach nur normal sein,
– einen Tag, bitte.

Malen nach Zahlen, ein einfacher Weg
Das würde mein Leben langweilig machen
Es tut so gut, mal nicht an die Grenzen zu gehen
Ich triggere nichts, nichts triggert mich
Keine Pause erscheint mir zu lang
Kein schlechtes Gewissen
– treibt uns zurück in die Gier.

Es ist genug, zu leben.
Es ist genug, zu lieben.
Es ist genug, ein Herz zu haben.
Es ist genug, zu bluten.
Es ist genug, zu sterben.
Es ist genug, zu streiten.
Es ist genug, sich zu versöhnen.
Es ist genug, gewöhnlich zu sein.
Es ist genug, ein Leben zu leben.

Ich muss mich nicht entschuldigen
Wenn ich meinen Verstand verliere
Wenn du mit mir in die Wildnis ziehst
Wenn wir die Welt für uns schließen
Und du mich noch einmal berührst
Ich will das alles erleben
Ich will nicht dafür sterben
Ich will nicht, dass die Welt für uns stirbt

Es ist so komisch
Es kommt mir so vor
Als wäre das früher alles anders gewesen
Meine Träume am Tag
Nachts schlafe ich nicht ein
Du fehlst hier, bist du
– jenseits der Grenze?

Lebe mit mir, lebe hier
Lebe das Jetzt, atme mich ein
Reanimiere mein herzloses Selbst
Ich will endlich wieder fühlen
Dass wir vergänglich sind
In jedem Moment dafür sterben
Dass wir uns retten, das Leben
Ich will mit dir gewöhnlich sein
Einfach nur lieben, sprechen
Niemand wird uns retten
Niemand wird uns zerstören
Niemand wird uns vernichten

We’re gonna be
Everything but
Ordinary

Wochenendeanfang

Ich rieche Anarchie in Ihrer Stimme
aber es tut gut, den Wind der
Freiheit zu spüren
heute etwas Mundgeruch
aber als Idealist
bleibt man standhaft
Schönheit kommt von innen
allerdings ist das
so eine
Sache
man kann sie nicht kaufen
es ist auch kein Zollstock dafür gemacht
und keine Waage
Menschen bringen was mit
das man erkennt, zeitlos
dann ist die Hoffnung kurz da
dass man irgendwo
immer wieder
wen trifft
der einfach nur sympathisch
ist
ohne Kompromisse
und das liegt
nicht an der Kleidung
nicht an der Sprache
nicht an der Figur, ihren Masken
es ist einfach so etwas
irgendwie
man vergisst kurz
dass ich auf
der Welt bin
dann ist es
wieder weg
kurz verstehe ich
die Crackjunkies in Kalk
nicht zu gut
aber
es bleibt eine Illusion
für heute
von gestern
bis morgen
erst einmal kurz
Wochenende
also vielleicht auch
ein Anfang
die Akkus
sind voll
für den Moment.

Es gibt viel Gutes
da draußen
wir sprechen uns.

Gastfreunde

Ich bin früh dran. Erreiche das Gebäude. Vor der Bibliothek steht die erste Gruppe. Werde begrüßt. Ihr Tagungsteam – die Grußformel ist jetzt persönlich. Das fühlt sich gut an.

Willkommen in der Forschung. Bestes Wetter, Kattowitz im Herbst. “Kann mir die Namen ganz sicher nicht alle merken”, sage ich. “Dafür genügt ein Blick ins Programm”, sagt er. Ich denke: Könnte ich die Namen so lesen, wie sie hier und heute klingen, dann wäre das einfach. Bin ich schlecht vorbereitet? Wird sich sicher zeigen.

Bin etwas aufgeregt, aber habe nichts zu verlieren; außer für heute und morgen und alles für immer. Nicht weniger pathetisch ist meine Hoffnung und mein Glaube daran, dass alles sehr gut wird. Ich freue mich wirklich, trotz der ungewohnten Situation. Fremdel in der Rolle, aber das Fremdeln ist mir nicht fremd. Das gibt Sicherheit.

Wir stehen in der Halle, vor der Ausstellung. Ich schaue mir ein paar Stellwände an. Komme mir noch etwas komisch vor, mich in eine Gruppe zu stellen. Während sich die Leute dort kennen, kenne ich sie nicht. Stellt man sich da einfach dazu? Was fragt man. Was sagen sie. Was kann ich antworten. – Ehrlicherweise muss ich feststellen: Das kann man natürlich nur erfahren, wenn man dabeisteht. Nicht separiert.

Die Tagungsleiterin bindet mich in ein Gespräch im Abseits und überwindet die sozialen Räume. Ein feines Gespür. Sicher sind die Aufregung und eine gewisse Unsicherheit gegenseitig; auf unterschiedlichen Ebenen. Aber es bleibt eine Anspannung in dieser Situation, die der Veranstaltung angemessen ist; die sie in das rechte Licht rückt. Es ist ein Ereignis. Ereignisse sind immer besonders. Besonderheit kennt keine Routine, auch wenn man sie kennt. Es ist jedes Mal neu. Für uns beide. Das wissen wir. Wir werden unterbrochen.

*** Einlass ***

Einer sagt: “Kommen Sie rein” und ich verstehe es wirklich. Er hält die Tür auf. Es klingt mächtig in den offenen Raum. Nicht akustisch. Die Resonanz ist reiner Widerhall. Ohne Klang. Klare Struktur, weil als Kontur nicht erkennbar. Spürbar. Anders. Nähe. Eine Einladung in den Saal. Darüber hinaus. In eine Region. Wie in das Leben. Tritt über die Schwelle. Gefühl. Entsprechend: Gewinn.

*** Offizieller Beginn ***

Es folgt eine Begrüßung in zwei Sprachen mit Übersetzer. Simultan. Der Ton meines Gerätes funktioniert nicht. Ich höre nur ein unbestimmtes Rauschen. Stehe auf und frage oben am Eingang nach einem anderen Gerät. Ersatz. Die Organisatoren helfen mir, stellen den Kanal ein. Jetzt klappt es. Ich gehe zurück, Kopfhörer im Ohr. Jetzt klappt sie, die Verständigung. Komme wohl endgültig an.

*** Eröffnung und Vortrag ***

Es folgen mehr als eine Begrüßung. Jede*r sagt etwas. Namen werden in der Reihenfolge vertauscht. Dank gebührt allen. Applaus. Einstimmung auf die Tagung. Diesen Tag und den nächsten. Hinführung zum ersten Höhepunkt: Eröffnungsvortrag. Ethischer Realismus als über sich hinausweisende Faktizität auf sprachlicher Ebene. Verstehe nicht alles beim Hören. Höre aber gebannt zu. Bin froh, dass der Text auch gedruckt wird. Genieße den Tag – jetzt schon.

Dann Pause. Mittagessen. Getränke, erste Gespräche.

***
Ich ahne jetzt, was hier noch möglich ist.
Wissen tue ich es nicht. Nicht mal,
dass ich es ahne.

***
Nicht ahne ich
die wirkliche Konsequenz
dieser nachhaltigen Begegnung
seit der ersten Minute
und darüber hinaus
bis an den Tag
da ich dies
als notwendig
schreibe.

Rückzug und Neuanfang

Gleichwohl hatte der Umzug als Rückzug und Neuanfang in gewohntem Gelände auch einen positiven Grund. Es war in dieser turbulenten Zeit zu einem Aufeinandertreffen gekommen, das sich als nachhaltig erwiesen hatte. An einem Freitag lernte sie beim Tauschen meinen Großvater kennen. Er war ein einfacher Mann gewesen, aufrichtig, treu und liebenswert. Sie trafen sich ein paar Mal, aber so kitschig es klingt: Beide wussten sofort Bescheid und vertrauten sich einander, dass es darum gehen würde, worüber man nicht sprach und was nun einfach passierte.

Vielleicht wäre mein Großvater  weiterer Rede wert, allerdings trafen wir uns nie persönlich. In Gesellschaft erzählten sie selten und wenig über ihn. Weder mein Vater, seine Mutter noch irgendwelche anderen Verwandten machten ihn zum Helden ihrer Anekdoten. Fotos gab es nur wenige. Ich erinnere genau genommen nur eins, auf dem er  einen sympathischen Eindruck gemacht hatte. Besonders fotogen erschien er  nicht zu sein. Zurückhaltend, schüchtern und ein „stattlicher Bursche“ mit dem man Pferde hätte stehlen, aber nicht darauf wegreiten können.

Zwei Mal Karibik und ein Zurück

Der heutige Eintrag in diesem alternativen Logbuch widmet sich einer Wiederholung. Vor einiger Zeit hat ein Freund gekündigt. Jetzt ist er in der Karibik. Er ist der Seefahrer, der ich manchmal gerne wäre. Ich werde leicht seekrank und traue mich nur selten auf neue Wege. Ein neuer Straßenname, eine unbekannte Ecke in Kalk öffnet mein Weltbild für Irritationen, aber als aufgeklärtes Kind finde ich das natürlich gut. Allerdings sind die kleinen Veränderungen für mich genug. Kolumbien, Karibik – Köln. Man muss sich zurechtfinden.

Die Fotos vom anderen Ende der Welt sind so wie aus Reisekatalogen, die wir früher im Kunstunterricht zerschnitten und als Mosaike der Freiheit wieder zusammengeklebt haben. Ich habe das später noch einmal versucht und hatte meine Freude daran, Kunst war es vielleicht nicht, wenn man das materiell betrachtet. Im Moment war da schon viel Anarchie spürbar.

In der Ferne ist das Internet besser als in Deutschland. Ich bin irgendwie beruhigt, dass sich manche Stereotype als Wahrheit herausstellen. Und ich freue mich heimlich auch, dass ich gegen mich selbst gewonnen habe. Dort, wo H* und L*  gerade sind, ist es auch gut. Vielleicht sogar besser, das erfahre ich das nächste Mal sehen, wenn die überhaupt noch mal zurückkommen. Sonst muss ich meinen falschen Lokalpatriotismus gegen ein Flugticket tauschen. Für das Klima wäre vielleicht ein Segelschein besser, aber ich weiß nicht, ob ich mir das zutraue – ich werde schnell seekrank, bilde ich mir zumindest ein.

Der Titel dieser kurzen Erzählung kündigt zwei Mal Karibik und ein Zurück an. Das Paar in der Ferne wurde schon benannt, ist aber dieses Mal nicht für die Mehrzahl verantwortlich. Stattdessen ist mir heute wirklich etwas Verrücktes passiert. Der Kassierer von Netto, der wirklich nette, der neulich länger nicht da war und der davor von der Schichtplanung am Besuch des Backstreet Boys Konzerts gehindert werden sollte – ich rege mich noch immer für ihn auf, obwohl die Sache vermutlich geregelt ist. Er hatte wie ein ‚pünktlicher Deutscher‘ lange im Vorfeld den Termin bekannt gemacht. Zurück zum Text: Er erzählt heute an der Kasse, dass er ab Samstag auch da ist, in der Karibik. Wir quatschen kurz und ich freue mich, dass das so geht. Bei allem Stress den die Welt gerade bringt. Dann erzähle ich ihm von H* und L* und setze 3 Euro auf die Anarchie. Mal sehen ob es ein Zurück gibt oder zwei.

Wie man in den Wald geht

Es ist wunderbar. Wir essen Pizza in Kalk an der Post. Man begrüßt uns herzlich. Vorher war eine Feier da, zumindest vielleicht. Die Tischdecken liegen auf dem Tisch hinter uns. Heute ist viel los. Man fragt nach italienischem Bier und die Bedienung schaut verwundert. Sie verweist auf das Kölsch, ob es italienischen Wein gibt, das vergessen wir zu fragen. Dann kommt das Brot, es kommen Antipasti und ein Junge singe singt zu laut Karaoke. Wir sprechen über die Tragödie, einer ist abgestürzt. Ein Grab in den Alpen, wir feiern das Leben und denken an ihn.

Nachdem wir uns die wichtigsten Dinge des Tages erzählt haben, beschließen wir die Location zu wechseln und gehen die Hauptstraße runter. In der Kneipe lief das letzte Mal BAP und dir ist das aufgefallen, ich habe gerade darüber geschrieben. Manchmal führt das Schicksal einen spontan zusammen und stellt sich als Dorf heraus. Aber es bleibt gut, wir sind fremd in der eigenen Stadt und erzählen über die Schulzeit, rätseln über die Zukunft und suchen die dritte Ableitung von X – erfolglos. Dann gehen wir zum Kiosk, wir treffen die Jungs von eben, wir erzählen uns nichts, aber grüßen uns fast schon freundschaftlich. Zwischendurch ist ein verwirrter Kopf von der Harmonie kurz irritiert und er will kurzerhand alles kaputt schlagen. Aber wir gehen nicht darauf ein, sondern wir genießen den Blick in die Zukunft, die Erinnerung an das Gestern und beschließen, dass es gerade gut ist. So, für ’ne Moment.

Montag, Abrechnung (1. Versuch)

Die Dinge wiederholen sich
man kommt zu nichts
aber der Blick nach draußen
zeigt, dass die Tristesse dort
größer ist
Mensch vs. Natur
1:0
für heute.

Gewinnen ist wichtig
Leistungssport auch
Sport wäre nicht schlecht
aber der Blick nach draußen

1:1
für den Moment.

Starte die Woche
mit 5 oder 10
-tausend Zeichen
mit Leerzeichen
dort verstecke ich
die eigentliche Botschaft

Fußball und so
geht bestimmt bald
wieder los
aber die Helden
spielen für die Scheichs
das wissen wir jetzt
sicher
man muss den Absprung
schaffen
irgendwann.

Das Spiel produziert
Galafiguren mit
Stiftung im
Millionengewand
eitle Jedermänner
und das wollen
die anderen auch
Menschen
um jeden Preis
vermutlich kennt der
Menschenhändler längst
die
doppelte Verwertung
dann
kein Recycling
direkt
in den Abfall.

Die Verlierer fliegen
heute nach Hause
das ist abgebrannt
weil die Menschen
dort
auf sie gewartet haben
und sie
wollten einfach nur
nett sein
dann kam
der Strich durch die
Rechnung
wie von
Zauberhand

Märkte retten
Marketing machen
Marken verkaufen
Menschen laufen
lassen
voraus oder
hinterher

Wichtig ist:
der Bestimmer bleibt
unsichtbar
und lacht
sich
ins
Fäustchen
das die anderen
für ihn schwingen
und
die Spielerberater
jubeln ihm zu
und genießen
seine Alimente
werben dafür
junge Träume an
und halten Jugendliche
kurz wie
Zuhälter
sonst *Feuerwerk*
.

Der Kaiser ist eine
deutsche Figur
er trägt alte Socken
und die sind
in der Erinnerung
weiß
und wenn man sich
einen Funken an
Realismus
gönnt [sic!]
dann muss man sich
eingestehen
dass so
niemand vom Feld
kommt
und nur
›Schnösel‹ *Beleidigungen sind schlecht*
gehen mit neuen Socken
auf die matschige Wiese
um dort ihre Leidenschaft
auszuleben
um Liebe zu finden
für die sie
andere Leiden lassen
müssen
durch ihre Gewalt
und ihre Schatten
sind
im Flutlicht meist
unsichtbar
aber
weg

sind sie nicht
man muss nur
genau
hinschauen
und
denken
.

Meine Currywurst
schmeckt heute
bitter
und das Bier
schafft es nicht
die Moral zu
betäuben *Unterhaltung*
.

Wahrscheinlich schaffe ich es
nur in bester Verfassung
maximal viel
zu arbeiten
um dann
maximal viele
Spiele zu sehen
vegane Würste zu essen
neue Socken zu kaufen
und Helden zu bejubeln
die nachts traurig
in der Wüste weinen
weil sie gerne
einmal
ein anderer wären
und warten

aber niemand
kommt

weil er
nicht
käuflich
ist
.

Lösungsvorschläge
heute: keine, –
weitermachen;
Montag.

 

 

Irritatronic

Irritationen von mir
Befinden sich in dir
Verbergen mich in dir
Befrachten und befreien sich
Fragen: „Wo ist dein wahres Ich“
Versprechen und verlangen nichts
Sprühen das Leuchten ins Gedicht

Mein gut ist dein …
Mein schön ist dein …
Unser wahr ist k-
eine Illusion

10 Komposita

Dönermitra
Straßenboot
Pflasterkleid
Hafenzehe
Körperbrief
Posthöcker
Lungenpiercing
Rätselbrot
Apothekenstrand
Verkaufsbrut